Auf dem Marktplatz herrschte reges Treiben. Stimmengewirr erfüllte die Luft ebenso wie die Düfte exotischer Gewürze und bratenden Fleisches. Es wurde gefeilscht und verhandelt und die Gassen zwischen den Ständen waren gefüllt von den unterschiedlichsten Personen. Es gab kaum ein Durchkommen. Doch auf dem kleinen Platz in der Mitte des Marktes hatte sich um einen Mann, gehüllt in einen schwarzen Umhang, einen Kreis an Schaulustigen gebildet. Langsam, berechnend ging er seine Runden, betrachtete die Gesichter der Männer, Frauen und Kinder. Sein Gesicht jedoch war bedeckt mit einer ebensolchen schwarzen Maske mit einem langen Schnabel, die Augenlöcher durch dunkles Glas geschützt.

Mit dumpfer und lauter Stimme begann der Mann zu sprechen und die Zuhörer hingen gebannt an seinen unsichtbaren Lippen.

Seid gewarnt! Denn auch euch kann das Schicksal ereilen, von dem ich euch berichten will!“ Seine Stimme schallte weit über den Platz. „Einst lebte ich in einem Land der Hoffnung. Die Einwohner waren glücklich und kein Zorn, kein Hass erfüllte ihre Herzen. Die Felder warfen reiche Ernten ab, die Brunnen waren gefüllt mit frischem Wasser, die Wälder waren voller Tiere. Wohlstand herrschte und die Menschen badeten sich darin! Niemals hätten sie daran gedacht, dass sich das Blatt wenden könnte. Doch das tat es! Die Einwohner wurden krank. Ihre Haut nahm eine grünliche Farbe an, gelber Eiter verklebte ihre Augen und Schaum quoll aus ihren Mündern. Einer nach dem anderen erkrankte und Misstrauen und Angst wuchsen in den Herzen aller. Keiner wollte dieser Seuche ausgesetzt sein und der kleinste Husten endete in einer Hetzjagd, ob erkrankt oder nicht! Schon bald ging man seinen Nachbarn aus dem Weg und Gerüchte über skurrile Beobachtungen machten die Runde. Jeder sah in jedem eine Bedrohung für das eigene Wohl und niemand kannte die Ursache und niemand eine Heilung.

Da beauftrage der König alle Gelehrten in seinem Land nach einer Lösung zu suchen, die Ursache zu finden und sein Land wieder zu heilen. Denn nicht nur die Menschen waren krank, auch die Tiere starben und die Felder verdorrten.

Eines Tages, als die Hoffnung schon verloren schien, kam einer dieser Gelehrten, ein Alchemist zum König und hielt in der Hand einen goldenen Kelch gefüllt mit klarem, reinen Wasser. Larkon war sein Name und er zeigte dem Herrscher, was er herausgefunden hatte. „Stellt euch vor dieser Kelch ist euer Land, das Leben selbst, rein und klar. Nichts kann das Wasser.“ Der König zuckte nur mit den Achseln, nicht wissend worauf der Alchemist hinaus wollte. „Doch wühlt man das Wasser auf, werden die kleinsten Krümel Staub vom Boden aufgewirbelt.“ Er begann den Kelch zu schwenken und nach und nach erhoben sich kleine Körner, die zuvor nicht zu sehen waren, vom Grund des Wassers, breiteten sich aus. Nach wenigen Augenblicken war die Flüssigkeit trüb und braun. „Sie verbreiten sich“, sagte er. „Vergiften den Kelch, wie das Gift einer Schlange, dass sich in ihrem Opfer langsam ausbreitet, bis es zu spät ist. Das ist eurem Land widerfahren.“

Und was können wir dagegen tun?“, frage der König ungehalten und verzweifelt, während er die aufgewühlte Brühe im Kelch beobachtet. „Das richtige Gegenmittel verabreichen“, entgegnete Larkon nur trocken. Aus einem kleinen Fläschchen ließ er zwei bläuliche Tropfen in den Kelch fallen und nach und nach zogen sie den Dreck aus dem Wasser an sich. Bis die Flüssigkeit wieder so klar war wie zu vor. Nur ein kleiner Klumpen aus Staubkörnern lag am Grund. „Das Wasser in eurem Reich ist vergiftet und mit den richtigen Substanzen lässt es sich wieder reinigen“, erklärte der Alchemist selbstsicher und wartete auf die Antwort des Königs. „Und was ist das Gegenmittel?“, fragte er ungeduldig, doch Larkon blieb ihm die Antwort schuldig. „Dieses Wissen habe ich noch nicht erlangt, doch erlaubt mir die Krankheit zu untersuchen und ich werde es finden. Koste es, was es wolle.“

Der König dachte nicht lange darüber nach und nickte. „Alles was nötig ist, um diese Dunkelheit abzuwenden sei dir erlaubt!“ Larkon machte sich sogleich ans Werk. Mit klugen Verstand, Geduld und berechnenden Experimenten an Erkrankten und Gesunden erforschte er das Übel. Einige Zeit verging und eines Tages kehre er zum König zurück, in der Hand ein Fläschchen mit blauem Inhalt. „Eure Majestät, nach langer Suche habe ich ein Heilmittel gefunden und dies hier gebraut. Kippt es in jeden Brunnen in eurem Land und das Gift der Schlange wird sich auflösen.“ Er überreichte dem König das Fläschchen und sprach noch eine Warnung aus. „Doch seid in Zukunft gefasst! Wer sich zu selbstsicher am Kelch des Lebens labt, den wird die Schlange erneut vergiften.“

Stille breitete sich auf dem Marktplatz aus, denn jeder hatte dem Erzähler im seltsamen Gewand gelauscht. Keiner wagte etwas zu sagen oder zu klatschen. Da lachte der Mann unter der Marke. „Wer weise ist, weiß wo das Wissen zu finden ist!“ Damit kehrte er den Zuhörern den Rücken und verschwand in der Menge der Menschen spurlos.